Wo und wie machen wir die wichtigen Dinge richtig?
Ein Interview mit dem intimsten Kenner der Online-Jobbörsen-Szene, Gerhard Kenk
Gerhard Kenk ist so etwas wie der Gandalf der Jobbörsen-Branche – die große, neutrale und unbestechliche graue Eminenz einer Branche, die für viele Personaler und HR-Verantwortliche zunehmend intransparenter und schwer durchschaubar wird. Mehr als 1.800 Jobbörsen in Deutschland ergeben einen Flickenteppich, den sogar Otto von Bismarck schwer gebändigt hätte. STAMMPLATZ-Gründer und Inhaber Sascha Theisen im Gespräch mit Gerhard Kenk – ein Interview, das wichtige Fragen beantwortet:
STAMMPLATZ: Herr Kenk – Sie gelten als der Guru der Online-Jobbörse. Für viele Personaler und HR-Verantwortliche gilt die Lektüre Ihres Portals Crosswater als Pflichtlektüre, wenn der Arbeitstag beginnt. Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihres Internet-Angebotes?
Gerhard Kenk: Das Motto des Crosswater Job Guide lautet seit der Gründung im Jahr 2000 „Mehr Transparenz……“ – und das ist nach wie vor der inhaltliche rote Faden, der sich durch die Berichterstattung, Informationen und Datenbanken hindurchzieht. Mehr Transparenz bei der Jobbörsenauswahl hilft Bewerbern, Zeit zu sparen und Personalern, Geld bei der Jobbörsen-Auswahl zu sparen. Also eine Win-Win-Situation, vergleichbar nur mit einem 9:9 Unentschieden der Alemannia aus Aachen gegen den Vorzeigeclub aus München.
STAMMPLATZ: Viele Personaler klagen über mangelnde Orientierungsmöglichkeiten, wenn sie auf der Suche nach der für sie passenden Online-Jobbörse sind. Welche Möglichkeiten haben sie aus ihrer Sicht?
Gerhard Kenk: Zunächst einmal müssen sich Personaler ständig auf dem Laufenden halten und die wichtigsten und effizientesten Jobportale im Auge haben. Doch nachts sind alle Katzen grau und für den Recruiter kommt es darauf an, auf welchen Jobportalen sich die Zielgruppe der anzusprechenden Kandidaten tummelt. Sind Betriebswirte auf Monster, IT-Experten eher auf StepStone oder Ingenieure eher auf einer Spezialjobbörse zu finden? Eine Hilfestellung bietet die Crosswater Jobbörsen-Datenbank, bei der die Jobportale des Landes nach Branchen und Berufen klassifiziert sind (zur Jobbörsen Übersicht). Und wenn ein Personaler wirklich genau wissen will, wie zufrieden die Kandidaten-Zielgruppe mit den einzelnen Jobportalen sind, stehen die Ergebnisse der Jobbörsen-Nutzer-Umfrage sowie der „Jobportal Profiler“ für eine empirisch-basierte Jobbörsen-Auswahl zur Verfügung: Jobbörsen Bewertungen
STAMMPLATZ: Als ein wichtiges Kriterium zur Auswahl des richtigen Stellenportals führen Online-Jobbörsen gerne ihre Reichweite an. Hier wird die Währung gerne regelmäßig geändert. Mal muss man IVW gelistet sein, mal sind Nielsen-Zahlen, mal ALEXA-Daten entscheidend. Ist eine Jobbörse in einem Bereich besser, wird dieser gleich zum Maß aller Dinge erklärt – eine arg durchschaubare Marketingstrategie. Was rät der Experte?
Gerhard Kenk: Die Reichweite ist sicherlich ein wichtiges Kriterium bei der Jobbörsen-Auswahl, doch im Gegensatz zu einem Börsenindex wie der DAX ist die Datenlage etwas unsicher. Ursache sind einerseits die unterschiedlichen Zählweisen und Informationsquellen, andererseits spielt die Glaubwürdigkeit der Statistiken und die Relevanz der Reichweiten-Zahlen eine wichtige Rolle. Seit dem Aufkommen der ersten Jobportale im Internet in den Jahren nach 1995 kämpft die Recruiting-Branche um Konsistenz, Transparenz, Relevanz und Vergleichbarkeit – mit mäßigem Erfolg. Deshalb muss man sich mit solchen Zahlen zufrieden geben, die öffentlich verfügbar sind. Es gilt, bei der Besucherfrequentierung und Reichweite nur gleichartige Jobportale miteinander zu vergleichen. Im DFB-Pokal kann auch einmal eine unterklassige Mannschaft einer Bundesliga-Mannschaft den K.O. versetzen, bei Reichweitenvergleichen gäbe es dafür die rote Karte.
STAMMPLATZ: Wichtig in der Jobbörsen-Landschaft sind nach wie vor die so genannten „Metas“, Job-Crawler, die dem Kandidaten alle Stellenanzeigen der wichtigsten Quellen auf einmal anbieten. Für viele Online-Jobbörsen ist es wichtig, hier ganz oben ausgeworfen zu werden – allerdings zu Lasten der Markenbekanntheit, da der User die Stellenanzeigen hier nicht mit der jeweiligen Online-Jobbörse in Verbindung bringt. Ist Markenbekanntheit in den Rubrikenmärkten wirklich so unwichtig?
Gerhard Kenk: Branding oder Markenbekanntheit wird nicht in den Jobcrawlern geschaffen – die Positionierung auf den Trefferlisten kann nur mit gutem Geld beeinflusst werden. Allerdings kann es auch vorkommen, dass auf den Trefferlisten der Jobsuchmaschinen die Stellenanzeige für den Direktor einer Sparkasse in NRW direkt neben dem Stellenangebot für eine Putzhilfe im Bayrischen Wald steht – kein ideales Umfeld unter Markengesichtspunkten. Für Online-Jobbörsen ist es viel wichtiger auf die Karte „Qualität“ zu setzen. Dabei geht es um Nutzerzufriedenheit der Jobsuchenden, Such- bzw. Trefferqualität, Servicegrad für Recruiter oder gar die Wiederempfehlungsrate der Arbeitgeber. Wenn diese Mosaiksteinchen alle zueinander passen, ergibt sich das Branding der einzelnen Jobbörsen schon fast von alleine.
STAMMPLATZ: Der Mangel an Fachkräften in Deutschland und Europa ist das große Arbeitsmarkt-Thema – für Politiker, Lobbyisten und eben auch für Vertreter des Online-Recruitings. Ist diese wirtschaftliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die Lebensversicherung für Online-Jobbörsen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten? Oder glauben Sie, dass das herkömmliche Rekrutierungsmodell der einseitigen Ausschreibung bei schwer zu findenden Profilen zukünftig nicht mehr ausreicht, um den Dimensionen des Fachkräftemangels dauerhaft zu begegnen?
Gerhard Kenk: Das konjunkturell bedingte Auf- und Ab am Arbeitsmarkt beeinflusst natürlich die Geschäftslage der Jobbörsen – besonders dann, wenn deren Geschäfts- und Service-Modell einseitig, d.h. entweder nur auf Arbeitgeber oder nur auf Stellensuchende ausgerichtet ist. Dann sind die konjunkturell bedingten Ausschläge – wie die Diskussionen um den potentiellen Verkauf von Monster Worldwide zeigen – heftig und werden reflexartig mit Kosten- und Personal-Reduktionen bekämpft. Allerdings kann man Ingenieure nicht backen – Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel müssen auf der ganzen Wertschöpfungskette der Bildungsinstanzen umgesetzt werden. Da Fachkräftemangel und Demografiewandel nicht wie bei der Schneeschmelze verschwinden, müssen sich Führungskräfte, Politiker und Lobbyisten drei zentralen Fragen stellen:
1. Priorität: „Machen wir die richtigen Dinge?“
2. Effektivität: „Machen wir die Dinge richtig?“
3. Organisation: „Wo und wie machen wir die wichtigen Dinge richtig?“
Wenn Führungskräfte keine Antworten auf diese Kernfragen haben, ist ihnen auf Dauer kein Stammplatz im Unternehmen sicher. Politiker und Lobbyisten sind dabei nur auf den Zuschauerrängen zu finden – vielleicht pfeifen sie den Schiedsrichter aus wie bei der Schlecker-Insolvenz, werfen mit Wahlkampf-Konfetti um sich oder fackeln Bla-Bla-Bengalos in den TV-Talkshows dieser Republik ab.
STAMMPLATZ: Zum Schluss: Sie begleiten die Branche nun schon seit Jahrzehnten – als Kunde und als Beobachter. Was war aus Ihrer Sicht die bemerkenswerteste Veränderung in dieser Zeit? Oder hat sich am Ende der Markt der Online-Jobbörsen inhaltlich gar nicht so sehr verändert?
Gerhard Kenk: Unverändert sind die Kernaufgaben der Online-Jobbörsen geblieben: Publizieren, Matching von Anforderungs- und Erfahrungsprofilen, Suchen und Finden von Stellenanzeigen. Was sich jedoch wie ein Mälstrom der Technologie in all den Jahren zeigt, ist einerseits die permanent fortschreitende Spezialisierung der Jobportale auf immer kleinere Nischen-Märkte und andererseits die zunehmende Differenzierung der Medienkanäle, die für alle Beteiligten eine ständig steigende Komplexität mit sich bringt. Aber das ist ein Thema für die Halbzeitansprache oder für die Verlängerung.
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